Immerhin: Middendorp brachte RWE mal wieder in die nationale Presse. Und das zunächst gar nicht mal so negativ, wie man das etwa von „Der Spiegel“-Artikeln oder „Hart aber fair“-Beiträgen aus der jüngeren Vergangenheit kennt. Dass diese Besetzung des Trainerstuhls ein Missverständnis war, merkte man nur 29 Tage später und brachte damit den Verein erneut in die Presse, diesmal wieder wie üblich als bemitleidenswerten Traditionsverein im Fußball-Niemandsland. Aber geschenkt: Ein Fehlgriff ist immer mal drin, zumindest wurde dieser schnell erkannt und beseitigt. Man will sich gar nicht vorstellen, man wäre mit Middendorp und seiner offensichtlich herrischen, despektierlichen Art in die kommende Spielzeit gegangen.
Das wirklich traurige für die rot-weissen Anhänger ist , dass selbst in eben angesprochenem Fußball-Niemandsland, nämlich Liga vier, der Nimbus der früheren Erfolge oder irgendein Mythos irgendwie hilft, Punkte zu sammeln. Aktuell steht der Verein auf Rang neun in der vierten Liga und kann heute und morgen sogar noch weiter durchgereicht werden – das dürfte weder dem Anspruch der Tribünengänger noch den Plänen der Lenker und Denker entsprechen.
Doch eigentlich ist das mittlerweile alles egal. Ob nun neunter oder zweiter, ob nun gegen Elversberg ein, zwei oder eben kein Tor geschossen wird. Wichtiger ist, in dieser Zeit die Basis aufzubauen, um künftig nicht mehr ab Spieltag 20 nur noch Freundschaftskicks zu haben. Die Gründe dafür wurden intern analysiert und von Strunz, der Gottseidank den Machtkampf gegen „Power-Ernst“ gewonnen hat, auf der JHV schlüssig begründet und vor allem: Lösungen aufgezeigt.
Ohnehin war die JHV das notwendige Signal, den Blick von nun an nach vorne zu richten und diesmal sogar begründete (!) Hoffnung zu haben, dass es besser wird – und das sage ich diesmal nicht nur ob meiner ohnehin sehr, manchmal auch zu optimistischen Natur. Die Entscheidungen der Mitglieder bei der spannenden und wichtigen Versammlung waren alternativlos, Meutsch betonte vorher, dass man anderweitig innerhalb kürzester Zeit insolvent wäre.
Mit ihm als „ersten 1. Vorsitzenden des Vereins“ (O-Ton Prof. Dr. Buchberger) und Strunz als Verantwortlichen für die sportliche Seite sind wir gut aufgestellt, zumal unser Europameister betont hat, dass er bislang kaum Zeit für seinen eigentlichen Job hatte, sich zu wenig um die Mannschaft und deren Entwicklung auf (Ergebnisse) und neben (Hierarchie) dem Platz gekümmert hat.
Thomas Strunz (Foto: firo).
Zu Recht hat er sich zunächst auf die administrative Seite konzentriert und diese bearbeitet, die überhaupt erst Grundlage für alles sportliche sein kann. Dort hat er in seiner kurzen Amtszeit Beachtliches geleistet. Und sollte er diese Leistung nur ansatzweise nun auch bei Kaderplanung und Trainerentscheidung zeigen können, so ist das Gelingen des 5-Jahres-Plans tatsächlich möglich.
Auf der JHV wurde auch gezeigt, dass der Mannschaftsetat steigt, zeitgleich die Kadergröße aber verringert werden soll, um dadurch eine Qualitätserhöhung auf jeder Position zu erreichen. Auch die Anforderungen an Neuzugänge und der Positionsbedarf wurden ungewöhnlich offen dargestellt, da fühlt man sich als Fan deutlich besser informiert als in der Vergangenheit. Man darf also gespannt sein, wie der vermeintliche RWE-Aufstiegskader aussehen wird, erste Tatsachen dürften bald geschaffen werden, diverse kursierende Listen sind dabei durchaus vielversprechend, nicht nur was Spieler (Solga, Thamm, Lüttmann), sondern auch mögliche Trainer (Fink, Wück) angeht.
Dazu kommt, dass mit einem Sieg im Verbandspokal gegen Speldorf am nächsten Mittwoch der Einzug in den DFB-Pokal gesichert wäre. Ein nicht nur finanziell wichtiger Baustein für Rot-Weiss Essen, den so kann man sich wieder einmal Fußball-Deutschland präsentieren.
Die neuen Strukturen gesichert, im frühen Herbst der Baubeginn fürs neue Stadion, mehr finanziellen Spielraum für Spielerverpflichtungen im Sommer, wahrscheinlich die DFB-Pokalteilnahme und ein Strunz, der sich nun endlich nur aufs Sportliche konzentrieren kann – es gibt wahrlich gute Gründe trotz des derzeit tristen Tabellenplatzes, der Auswärtsschwäche und den leerer werdenden Zuschauerrängen erwartungsvoll nach vorne zu blicken. Hoffen wir, dass das Licht am Ende des RWE-Tunnels diesmal kein entgegenkommender Zug ist, wie es schon so oft war an der Hafenstraße.
Wie heißt es so schön: Vor der Dämmerung ist die Nacht am dunkelsten. Oder noch pathetischer: Vorwärts RWE, reite der Sonne entgegen!